Kommentar: "Das Microsoft-Dilemma" - wenn Journalisten ihre Arbeit nicht machen

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Am gestrigen Abend zur besten Sendezeit, nämlich kurz vor 23 Uhr, zeigte das Erste die Reportage „Das Microsoft-Dilemma“. Diese sollte aufzeigen wie abhängig wir und die restlichen europäischen Länder von Microsoft sind. Gleichzeitig sollten Alternativen zu Microsoft vorgestellt werden, um sich aus dem Bann zu befreien. Nach 45 minütiger Sendezeit bleibt von der Reportage nichts als Ernüchterung zurück. Der komplette Beitrag strotzte nur so vor Fehlern und falschen oder unvollständigen Aussagen.

Microsoft der Buhmann

Die Reportage begann mit einer Rückblende zum WanneCry Angriff im Mai 2017. Damals sorgte eine Schadsoftware für großes Chaos nachdem hunderttausende Rechner weltweit infiziert und lahmgelegt wurden. Im selben Atemzug wird bereits der Schuldige genannt: Microsoft! Alle Opfer haben die selbe Software benutzt und seien an der selbe Stelle verwundbar gewesen da alle abhängig von Microsoft waren. Mit dieser Aussage beginnt das ganze übel.

In der gesamten 45 minütigen Reportage wird nicht ein einziges mal erwähnt wie es wirklich zum WanneCry Angriff kam. Denn zum Zeitpunkt des Angriffes hatte Microsoft bereits 2 Monaten zuvor ein Update veröffentlicht. Diejenigen die von WanneCry infiziert wurden hatten dieses Update nie installiert. Deren IT-Administratoren haben versagt und erst dafür gesorgt das der Angriff solche Ausmaße annahm. In der Reportage wird das jedoch verschwiegen um Microsoft als Buhmann darzustellen von dem man ja abhängig sei.

Die nachfolgende Thematik baut darauf auf, dass die europäischen Staaten im öffentlichen Sektor überwiegend Windows einsetzen, wodurch ein erfolgreicher Angriff fatale Folgen haben kann. Das mag stimmen, jedoch ist das vorangegangene Beispiel mit dem fehlen der wichtigen Infos ein sehr schlechtes Beispiel.

Open Source als Alternative

Um sich aus dem Zwang von Microsoft zu befreien wird in der Reportage Open Source Software als Alternative angepriesen. An sich ist daran nichts falsch, jedoch waren die Journalisten nicht in der Lage die Thematik vernünftig zu erklären. Stattdessen erzählte man das Märchen von der Sicherheit der Open Source Systeme. Denn die weltweite Entwickler-Gemeinde kann den Quellcode einsehen und so Sicherheitslücken ausfindig machen und schließen. In der Theorie sollte es jedenfalls so sein, die Praxis sieht jedoch ganz anders aus.

Denn die Open Source Systeme leiden unter einem Entwicklermangel. Die Folge dessen ist, dass viele Projekte nicht weiterentwickelt werden und Sicherheitslücken dadurch bestehen und unentdeckt bleiben. So entstand zum Beispiel die Heartbleed Lücke.

Um noch weiter zu verdeutlichen wie "Sicher" Open Source Software im Gegensatz zu Microsoft ist wurde dann der Quellcode eines Word Dokuments und der eines Libre Office Dokuments nebeneinander gezeigt und verglichen. Es zeigte sich schnell dass das Microsoft Word Dokument einen größeren Quellcode als das Libre Office Dokument besaß. Daraufhin Schlussfolgerte man, dass das Word Dokument unsicherer sei. Eine lächerliche Aussage.

Aber um das ganze noch zu toppen wurde Linux als Alternative zu Windows aufgezählt. Nur doof dass es das Linux Betriebssystem so gar nicht gibt. Linux selbst ist nur der Oberbegriff für die zahllosen Distributionen wie zum Beispiel Suse, Ubuntu, Red Hat, etc. Damit so eine Linux Distribution als Alternative zu Windows funktionieren kann braucht man sehr viel Aufwand, denn der Support muss gesichert sein, Anpassungen für Firmen und Behörden müssen getätigt und gepflegt werden und noch vieles mehr. So eine Alternative ist mit sehr viel Arbeit verbunden.

Die EU in den Händen von Microsoft

In der Reportage geht es aber nicht nur um Alternativen zum ach so bösen Microsoft, sondern auch wie der Weltkonzern die EU kontrolliert. Denn die Staaten haben mit Microsoft Rahmenverträge für den kauf der Software abgeschlossen. Diese verstoßen aber theoretisch gegen europäisches Gesetz, da es stattlichen Stellen verboten ist, Produkte und Dienstleistungen die den Wert von 135.000 Euro überschreiten ohne öffentliche Ausschreibung von nur einem Händler zu beziehen.

Jedoch macht es die EU selbst genau so. Es werden mit Microsoft Preislisten verhandelt und die zu beschaffenden Produkte dann von Unterhändlern besorgt. Begründet wird das ganze damit, dass man so oder so bei Microsoft landen würde, mit oder ohne öffentliche Ausschreibung. Das ganze ist verständlich, denn niemand kann einfach mal eben so eine fertige alternative aus dem Hut zaubern. Solche Alternativen werden stattdessen als Experiment gesehen, weshalb die Länder, Kommunen und Staaten lieber bei dem bleiben was sie kennen.

Microsoft war aber so schlau und hat dafür gesorgt dass sämtliche Passagen in den Verträgen vor der Veröffentlichung geschwärzt wurden. Solche Verträge sollten eigentlich transparent einsehbar sein, jedoch lässt man sich von Microsoft vorschreiben was veröffentlicht werden darf und was nicht. Da sich die Reportage um die Abhängigkeit von Microsoft dreht hätte man hier viel intensiver darauf eingehen können. Stattdessen hat man weiterhin Microsoft einfach als Buhmann dargestellt.

Falsche Informationen und pauschale Unterstellungen

Die gesamten 45 Minuten über hatte ich das Gefühl einer komplett einseitigen Berichterstattung. Denn alle Aussagen die getätigt wurden klangen immer nach "Microsoft = Böse", dazu kam dass die Alternativen nicht gut recherchiert wurden. Bereits zum beginn der Sendung fehlte die Information das Microsoft die Lücke zu WanneCry bereits geschlossen hatte. Stattdessen wurde die Vermutung aufgestellt, dass man die Lücke kannte aber für den Amerikanischen Geheimdienst offen hielt.

Auch zum Thema Alternativen stellten die Journalisten Behauptungen in den Raum. Bereits vor einigen Monaten beschloss die Stadt München die Rückkehr zu Microsoft und deren Produkten, nachdem man Jahrelang das Open Source Projekt "LiMux" verwendete. Dem neuen Oberbürgermeister, der damals dafür sorgte dass der Microsoft Deutschland Standort nach München wanderte wurde, fragte man im Interview ob die Rückkehr zu Microsoft eine Gegenleistung dafür wäre.

Der Running Gag der Reportage war jedoch das vermehrt erwähnt wurde, Microsoft würde keinen Einblick in den Quellcode gewähren, was ein Sicherheitsrisiko darstellen würde. Wie Martin Geuss von Dr. Windows kurz nach der Sendung feststellte, ist diese Aussage von Grund auf falsch. Denn Microsoft betreibt in Brüssel das Microsoft Transparency Center in dem staatlichen Organisationen Zugriff auf den Quellcode gewährt wird. Darüber, ob die besagten Journalisten einfach nur sehr schlecht recherchiert haben oder diese Infos absichtlich "vergessen" haben, kann man nur spekulieren.

Abschließend kann man sagen, dass die gesamte Doku mehr dazu diente um auf Microsoft einzuprügeln und den amerikanischen Konzern als schlecht und böse darzustellen, anstatt vernünftig und fachlich korrekt über die Thematik zu berichten. Das Erste und das Journalisten Team von Investigate Europe haben hier eine sehr schlechte Show geliefert. Ich finde leider keinen vergleich dafür wie schlecht die Reportage war. Persönlich habe ich mir jedoch mehr erhofft, aber bereits vor dem Start der Sendung ahnte ich nichts gutes.

Habt ihr "Das Microsoft-Dilemma" gesehen? Was ist euer Fazit zu der Reportage?


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